Auswirkungen der Corona-Krise auf die Psyche von Athleten und Trainern

14. April 2020 - 14:44 -- Thorsten Ribbecke

Nicht nur die normale Bevölkerung leidet unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Auch Leistungssportler und deren Betreuerstab müssen mit sehr starken Einschränkungen leben. Abgesagte Wettkämpfe, geschlossene Trainingsstätten, fehlender Kontakt zu Trainern und Trainingsgruppen und nicht zuletzt die Verschiebung der Olympischen Spiele: Die Corona-Krise hat den Sportalltag für die Spitzenathleten und deren Trainer komplett verändert.

Viele Sportler wissen derzeit nicht, wie es in den nächsten Monaten weitergeht: Haben sie die einmalige Chance auf den Höhepunkt ihrer Karriere, die Olympische Spiele, verpasst oder stehen sie bald vor großen finanziellen Problemen? Die Trainerakademie Köln hat eine Internetrecherche und Interviews durchgeführt, um zu sehen wie Leistungssportler, ihre Trainer und führende Psychologen die Situation bewerten.

Leistungssportler sind meist klar strukturiert und fokussiert. Ihr Alltag ist in der Regel streng getaktet, fast jede Minute steht im Dienst eines kurz-, mittel- oder langfristigen Ziels. Ihre komplette Planung des Lebens ist auf die Wettkämpfe oder sogar, im Falle von Olympischen Spielen, nur auf den einen entscheidenden Tag ausgerichtet. Die Investition für diese Ziele sind groß: tägliches Training, Trainingslager, medizinische Betreuung, Ernährungsberatung, psychologisches Training bestimmen den Alltag. Lebensplanungen, wie die Gründung einer Familie oder der Eintritt in das Berufsleben, werden auf die Zeit nach der Sportkarriere verschoben.

Dieses System, in dem sich die Athleten und Ihre Trainer aufhalten, ist, nach Meinung der Psychologen Marion Sulprizio, Andreas Kappes und Valentin Markser, nun sehr stark gefährdet. Denn alles, was für den Sportler selbstverständlich schien, ist aufgrund der Pandemie nun in Frage gestellt. Leistungssportler sind darauf angewiesen, dass sie täglich trainieren können, Wettkämpfe bestreiten und dadurch Start-, Preisgelder oder Werbeeinahmen generieren. Nun wurde ihre Karriere gestoppt und teilweise große Ziele und Träume müssen in Frage gestellt werden. Basketballnationalspielerin Katharina Fikiel formulierte es kürzlich in einem Interview treffend:

„Das ist eine Katastrophe, ich fürchte um meine Existenz. Mein Vertrag läuft im Juli aus, und niemand weiß, wie es weitergeht. Unser Sport lebt von Sponsoren. Wenn diese Firmen Probleme kriegen, werden sie kein Geld mehr für Basketball aufbringen. Hinzu kommt die emotionale Belastung. Ich lebe vom Wettkampf, vom Gefühl, etwas geschafft zu haben, von der Aussicht auf Erfolge, vom täglichen Training, vom Adrenalin. Das alles fällt jetzt weg.“

Radprofi Nils Politt spricht von einem Standby-Modus. Bei anderen Sportlern entsteht eine Leere bis hin zu Ängsten. Dies beschreiben Sportler wie Tischtennisprofi Dimitrij Ovtcharov, Marathonläufer Philipp Pflieger oder Fechter Max Hartung.

Eine Akzeptanz dieser Situation ist auf kurze Sicht schwierig. Wie sollen sich Sportler und Trainer innerhalb von ein paar Tagen neu fokussieren, wenn sie über Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet hat? Besonders die Verschiebung des Fixpunktes Olympia macht den Sportlern zu schaffen. Die Fragen sind vielschichtig:

  • Macht der Körper die Verlängerung der Karriere noch mit?
  • Wann ist ein normales Training wieder möglich?
  • Wann können wieder Wettkämpfe durchgeführt werden?
  • Wird es für die Olympischen Spielen einen veränderten Qualifikationsmodus geben?
  • Gibt es für alle Sportler noch eine Chance auf eine faire Qualifikation?
  • Ist der Verein in seiner Existenz bedroht?
  • Können Sponsorenverträge aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lagen noch erfüllt werden?

Nicht anders ergeht es den Trainern. So ergab eine kurzfristig initiierte Umfrage unter etwa 100 Bundestrainer*innen aus Olympischen Sommersportarten, durchgeführt vom Berufsverband der Trainer*innen im Deutschen Sport (BVTDS), dass zwar 93 %, eine Verschiebung der Olympischen Spiele für richtig und angemessen betrachten, aber auch gut zwei Drittel der Interviewten sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen.

Ein Grund dafür sind die oft befristeten Arbeitsverträge der Trainer, die zumeist mit dem Olympischen Zyklus enden. „Es ist für uns als Berufsverband nicht nachvollziehbar, dass es immer noch so viele befristete Arbeitsverträge unter den Bundestrainerinnen und Bundestrainer gibt, obwohl das im Dezember vergangenen Jahres vom DOSB, den Landessportbünden und den Spitzenverbänden verabschiedete Konzept zur Verbesserung der Trainersituation eindeutige Aussagen dazu trifft, dass Olympiazyklen rechtlich gesehen nicht als Befristungsgründe anerkannt sind“, kritisiert das BVDTS-Präsidentenduo Holger Hasse und Gert Zender. Nun bleibt bei vielen Trainern die Zukunft offen. Wie geht es nun mit Ihrem Arbeitsplatz weiter?

Noch kann keiner diese Fragen mit Sicherheit beantworten. Trotzdem gilt es, die Situation zu akzeptieren und soweit wie möglich zu planen. Welche positiven Dinge können aus der Situation gezogen werden? Laut Marion Sulprizio können sich Sportler nun darauf konzentrieren, andere Kompetenzen zu entwickeln, wie beispielsweise ein guter Partner zu sein, sich intensiv um die Familie zu kümmern, das Studium oder die Ausbildung zu beenden oder eine Trainerlaufbahn einzuschlagen.

Um die eigene Situation zu verbessern können auch das Beibehalten gewisser Routinen beitragen. Natürlich ist der normale Trainingsalltag nicht möglich, aber Sportler können gezielt Trainingseinheiten einbauen, um den Tag zu strukturieren. So versucht ein Speerwurf Olympiasieger wie Thomas Röhler zu Hause durch Kraft-, Sprungkraft- und Dehnübungen, weiter fit zu halten. Hürdensprinterin Cindy Roleder wohnt ländlich und hat einen Feldweg für Sprints und Kraftübungen benutzt.

Moderne Medien wie virtuelle Trainingsbetreuung via Handy oder Tablet gewinnen immer mehr an Bedeutung. Trainer halten weiter Kontakt zu Ihren Schützlingen oder führen sogar Trainingseinheiten mittels Handy durch und befriedigen damit nicht nur das menschliche Bedürfnis des sozialen Eingebundenseins. Während Ausdauersportler wie Schwimmer, Läufer oder Rennradfahrer gewohnt sind Trainingseinheiten auch allein durchzuführen, trifft es besonders Mannschaftssportarten und spezielle Individualsportarten besonders hart. So benötigen Kampfsportler aus dem Karate, Judo oder Fechten genauso Trainingspartner wie die Rückschlagsportler im Tennis- oder Badminton. Es ist denkbar, dass diese Sportler durch die Folgen der Corona-Krise psychisch stärker belastet werden.

Doch Sportler und Trainer sind meistens optimistische Menschen und laut Psychologe Andreas Kappes geprägt von einen großen Kontrollüberzeugung. Sie sind es gewohnt ihr Leben selbst bestimmen und lenken zu können. So sehen viele Trainer und ihre Sportler die Situation auch als Chance. Ob es hilft eine Verletzung nun komplett auszukurieren oder eine Form neu aufzubauen, die Situation birgt auch Chancen.

Wer diesen Perspektivwechsel nicht schafft, hat noch die Möglichkeit Kontakt mit Sportpsychologen aufzunehmen. Das geht zum Beispiel über die Initiative „MentalGestärkt“, die es an der Deutschen Sporthochschule Köln, über die Sportler und Trainer an ein sportpsychologisches Coaching vermitteln werden können. Zudem wird für Athleten, die unter Angstzuständen oder Depressionen leiden, der Kontakt zu Sportpsychiatern oder Psychotherapeuten hergestellt.

Auch die Bildungsorganisationen reagieren auf diese Problematik. Die Trainerakademie Köln des DOSB wird in Kürze spezielle Fortbildungsangebote für Trainer bereitstellen.

Quellen (abgerufen am 8.4. – 13.04.2020) :

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